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Viele Siege die nichts bringen

Text von Bastian Winter


Rechtsanwalt Sven Adam aus Göttingen hielt für die Refugee Law Clinic Regensburg einen Gastvortrag über sogenanntes Racial Profiling. Ein Kampf gegen Windmühlen, wie die Schilderungen des Referenten zeigten.


Am Abend des 26. Oktober 2015 begrüßte Prof. Dr. Alexander Graser im Namen der Refugee Law Clinic Regensburg Rechtsanwalt Sven Adam zu seinem Gastvortrag über Racial Profiling im Hörsaal H6 an der Universität.


Sven Adam ist Rechtsanwalt in Göttingen. Sein Spezialgebiet sind Fälle von Racial Profiling.Er sehe sich als politischer Anwalt, sagte der Jurist aus Göttingen, der zum Anzug lässig eine Kette an seinem Portemonnaie trägt. Zur Arbeit mit Betroffenen von Racial Profiling sei er eher durch Zufall gekommen, denn vor knapp vier Jahren habe er den Begriff noch gar nicht gekannt. Kurz gesagt: Beim Racial Profiling (Englisch wörtlich: „Rassische Auswahl“) werden Menschen verdachtsunabhängig nur deshalb von der Polizei kontrolliert, weil sie nicht deutsch aussehen. Dies stelle jedes Mal einen potenziellen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) dar, so Adam.


Sein erster Fall war ein deutscher Student afrikanischer Abstammung, der einen Strafbefehl erhielt, weil er einen Polizisten beleidigt haben soll. Der Fall lag so:


Der Student war mit dem Zug unterwegs, als er von Beamten der Bundespolizei aus einer Reisegruppe zur Kontrolle ausgesucht wurde. Der Student weigerte sich seinen Personalausweis zu zeigen, da er der Ansicht war, er solle nur wegen seiner Hautfarbe überprüft werden. „Das erinnert mich an damals“, sagte er nach einiger Diskussion zu den Beamten. Diese verleiteten ihn durch wiederholte Nachfrage zur Aussage: „Das erinnert mich an die NS-Zeit.“ Die Beamten hörten darin aber die Beleidigung: „Ihr seid wie die SS!“ Dies führte dazu, dass der Student aussteigen und zur Überprüfung auf das Revier mitfahren musste. Außerdem erhielt er eine Anzeige wegen Beleidigung.


„Das erinnert mich an damals“

Der Strafbefehl folgte prompt: 60 Tagessätze, weil der Student „Ihr seid wie die SS“ gesagt haben soll, so das Amtsgericht. Rechtsanwalt Adam war darüber so entsetzt, dass er diesen Fall unbedingt übernehmen wollte. Deshalb wurde gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt.


In der Verhandlung vor dem AG Kassel ließ sich einer der kontrollierenden Beamten zu einer (eigentlich) fatalen Aussage hinreißen: „Der ist aufgrund seiner Hautfarbe in unser Raster gefallen.“ Für Adam ein offensichtlicher Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot. Daher könne die Aussage des Studenten nur eine Wahrnehmung berechtigter Interessen (§193 StGB) und damit gerechtfertigt sein, so Adam. Sein Mandant wäre freizusprechen. Richter und Staatsanwalt sahen das jedoch anders und milderten die Strafe lediglich auf 15 Tagessätze, ausgesetzt zur Bewährung für 2 Jahre. Ein taktisches Urteil, denn: Nach der Strafprozessordnung ist die Berufung bei so „geringen“ Strafen an sich ausgeschlossen.


Deshalb klagten RA Adam und sein Mandant nun vor dem Verwaltungsgericht gegen die Kontrolle an sich. Das Verfahren vor dem VG Koblenz war jedoch noch schwieriger als das vor dem Amtsgericht. Hier wurde – so Adam – mit allen rechtlich zulässigen Mitteln versucht, es dem Kläger (und seinem Anwalt) so unangenehm wie möglich zu machen. Zum Beispiel wurde der Antrag des Studenten (der nur BAföG erhielt und keine Rechtschutzversicherung hatte) auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Außerdem wurde der Verhandlungstermin mit nur zwei Tagen Vorlaufzeit in Koblenz anberaumt, dessen Anreise sich der Student nicht leisten konnte. In seiner Entscheidung sah das Gericht dann schließlich keinerlei Probleme bei einer Kontrolle eines Menschen allein aufgrund der Hautfarbe.


Das OVG Rheinland-Pfalz ließ die Berufung gegen das Urteil auf die Beschwerde des Klägers hin zu. Fortan verfolgten Kläger und Anwalt jedoch einen anderen Ansatz: Die „Strategische Prozessführung“. So wurden Interessenverbände, Organisationen und Initiativen, die sich gegen Diskriminierung einsetzen, in das Verfahren als Beobachter eingebunden. Auch Presse, Fernsehen und Radio wurden zu den Verhandlungen geladen. Die Folge: Der Gerichtssaal war voll – mit der „Öffentlichkeit“ auf der einen, und Bundespolizisten auf der anderen Seite. Gegen Ende der Verhandlung sagte die vorsitzende Richterin, dass wohl ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorläge und dass man das Problem doch abseits des Verfahrens lösen solle. Die vier Volljuristen mit denen die Bundespolizei das Berufungsverfahren bis dahin bestritten hatte, entschuldigten sich daraufhin beim Kläger im Namen der Bundesrepublik Deutschland.


Eine Entschuldigung, aber keine Lösung

Die Berichterstattung über dieses Verfahren führte zur Spezialisierung der Kanzlei von Sven Adam auf Fälle von „Racial Profiling“. Bei diesen zeige sich eines bis heute: Die Thematik der Diskriminierung werde von den Verwaltungsgerichten nicht gerne aufgenommen. Vielmehr würden immer Ausweichstrategien gesucht, damit man einen Verstoß gegen das Grundgesetz erst gar nicht ansprechen müsse, erklärte Adam aufgrund von vielen Erfahrungen.


So zum Beispiel in diesem Fall: Das VG Köln schrieb in seinem Urteil, dass nach dem Bundespolizeigesetz eine verdachtsunabhängige Kontrolle zur Verhinderung der illegalen Einreise zwar grundsätzlich zulässig sei. Es stellte dann aber fest, dass die Kontrolle im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt gewesen sei, weil die in der Norm aufgezählten Maßnahmen (kurzzeitig anhalten, befragen, Ausweise kontrollieren und durchsuchen) nur der Reihe nach ausgeführt werden dürften. Auf Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes müsse daher nicht mehr eingegangen werden.


Zwar ein weiterer Sieg für den Rechtsanwalt, aber einer der für das Ziel Adams nichts bringt. Dieses ist nämlich, §22 Abs. 1a BPolG – die Ermächtigunsgnorm für die verdachtsunabhängigen Kontrollen – vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nichtig erklären zu lassen. Da aber die Verfassungsbeschwerde nur zulässig ist, wenn sämtliche anderen Rechtschutzmöglichkeiten ausgeschöpft sind, müsste zunächst ein Verfahren endgültig verloren werden. Das aber ist bisher nicht passiert, da Adam alle Verfahren gewinnt.


Wie ein roter Faden zieht sich eine Aussage durch die Urteile: „Auf Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes muss nicht mehr eingegangen werden.“ So oder in ähnlicher Form ducken sich die Verwaltungsgerichte unter der Grundrechts-Keule weg. Immer finden sich andere Gründe, die Kontrolle für rechtswidrig zu befinden.


Der Referent hofft nun für die Zukunft, dass sich endlich ein Gericht dazu durchringen könne, die Diskriminierung offen anzusprechen oder die Kontrolle für gesetzeskonform zu erklären, so dass man gegen das Gesetz an sich vorgehen kann. Es bleibt also noch viel zu tun.


Im Anschluss an den Vortrag von Sven Adam konnten unter der Moderation von Veronika Maria Apfl noch Fragen gestellt werden. Im Anschluss an den Vortrag fand noch eine Diskussions- und Fragerunde mit dem Publikum statt. Moderiert wurde diese von Veronika Maria Apfl, die derzeit ein Promotionsvorhaben zum Thema „Racial Profiling“ am Lehrstuhl von Prof. Graser verfolgt. Man konnte deutlich merken, dass alle Zuhörerinnen und Zuhörer sehr am Thema interessiert waren, denn die vielen Fragen an Herrn Adam fanden erst über eine Stunde später ein Ende.

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