Ist Afghanistan sicher? Für unsere Arbeit als Refugee Law Clinic ist die Antwort auf diese Frage kritisch, denn sie entscheidet über das Schicksal der hier lebenden afghanischen Flüchtlinge. Wir erklären wieso.
Die Ausgangsfrage, ob Afghanistan nach Jahrzehnten des Krieges mittlerweile sicher ist, beschäftigt Bundesregierung und Länder noch immer. Besonders, weil schon im vergangenen Dezember damit begonnen wurde, gezielt die Rückführung von Afghanen voranzutreiben. Das Vorgehen ist nicht unumstritten: Während Verteidigungs- und Innenministerium betonen, dass sich zumindest in Teilen Afghanistans ein weitgehend normales Leben führen lasse, sind das UNHCR und das Auswärtige Amt offenbar pessimistischer. Letzteres hat für Afghanistan eine Reisewarnung ausgesprochen und die Anschlagsgefahr im Land betont.
Doch die Sicherheitsfrage können und wollen wir als RLC nicht beurteilen, denn uns geht es um eine andere Frage: Wie wirkt sich die Einschätzung der Bundesregierung und einiger Bundesländer Afghanistan sei sicher auf unsere Arbeit aus?
Eine Weisung mit Folgen
Unter diesen Bundesländern ist auch Bayern. Am 01. September 2016 erteilte das bayerische Innenministerium den Ausländerbehörden die Weisung, Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten wie etwa Albanien, Senegal oder Ghana grundsätzlich keine Beschäftigungserlaubnisse mehr zu erteilen.
Kurz vor Weihnachten wurde diese Anordnung weiter verschärft. Eine Arbeitserlaubnis solle künftig von den Erfolgsaussichten im Asylverfahren abhängig gemacht werden. Das bedeutet: Flüchtlinge eines Landes mit statistisch geringer Anerkennungsquote sollen nur noch in Ausnahmefällen eine Arbeitserlaubnis bekommen können.
In Kombination mit der Einschätzung Afghanistan sei sicher, sind die Folgen dieser Weisung beim Arbeitsmarktzugang für geflohene Afghanen gravierend. Weil eine Bleibeperspektive nach Ansicht der Landesregierung kaum besteht, werden Beschäftigungserlaubnisse von den zuständigen Behörden nicht mehr erteilt. Welche Folgen das in Einzelfällen haben kann, zeigt der folgende Beitrag des Fernseh-Magazins Monitor: (Video nicht länger verfügbar)
Was passiert nun?
Mittlerweile kommt Bewegung in die Sache. Immer mehr Bundesländer zweifeln an der Einschätzung der Bundesregierung und wollen keine Menschen mehr nach Afghanistan abschieben, darunter Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.
„Es wäre […] rechtlich unzulässig, Afghanen […] grundsätzlich oder gar generell eine Beschäftigungserlaubnis zu versagen“
– Bay. Staatsministerium des Innern in einem Schreiben vom 27.01.2017
Und in Bayern? Auch hierzulande rudert die Landesregierung etwas zurück. Ein Korrekturschreiben des Innenministeriums vom 27. Januar, relativiert die angeordneten Einschränkungen wieder. „Es wäre […] rechtlich unzulässig, Afghanen während des laufenden Asylverfahrens grundsätzlich oder gar generell eine Beschäftigungserlaubnis zu versagen […]“, heißt es in dem Schreiben. Insbesondere bei Asylbewerbern aus Afghanistan seien „über die Anerkennungsquote hinaus verstärkt auch andere Ermessenskriterien in den Blick zu nehmen“.
Das Schreiben im Wortlaut:
Die neue Position haben Ministeriumsvertreter auch im Landtag kommuniziert. „Im Verfassungsschutzausschuss wurde uns explizit zugesagt, dass keine Flüchtlinge aus Berufsintegrationsklassen oder Ausbildungsverhältnissen heraus abgeschoben werden und dass Arbeitsverbote und Ausbildungsverbote von Afghanen, die in den letzten Wochen erteilt wurden und dies maßgeblich mit der Anerkennungsquote des Herkunftslandes begründen, auf Antrag hin neu überprüft und korrigiert werden“, so Christine Kamm, die asylpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. (bw)
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