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Vom Senegal in den Chiemgau

Die MitarbeiterInnen der Refugee Law Clinic Regensburg verbrachten ein Wochenende im Alpenvorland. Bei Vorträgen, Workshops und einer spannenden Wanderung wuchs das Team enger zusammen.


Text von Sophie Schmidt


Es herrscht angespannte Atmosphäre im Raum. Mancher tippt eilig, andere lesen noch rasch die passende Regelung im Asylgesetz, einige blättern in einem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge eines jungen Senegalesen. Diese Entscheidung des Amtes liest sich nicht gut: Der Asylantrag ist abgelehnt, die Flüchtlingseigenschaft und ein subsidiärer Schutz wird nicht zuerkannt. Eine Abschiebung wird angedroht. „Um 14 Uhr ist Abgabe, bis dahin muss alles fertig sein!“ ruft Dr. Christoph Lindner durch den Tagungssaal.


Beim Kennenlernspiel kam es auf Vertrauen an. (Foto: Bastian Winter)

Beim Kennenlernspiel kam es auf Vertrauen an. (Foto: Bastian Winter)

In drei Gruppen haben sich die Mitarbeiter der Refugee Law Clinic aufgeteilt, um eine Klageschrift gegen den Bescheid zu verfassen. Die Deadline, ähnlich wie beim Verwaltungsgericht, ist fix. Eine detaillierte Fluchtgeschichte, das Anhörungsprotokoll und der Bescheid wurde verteilt, die Aufgabe ist klar. Vokabeln wie „Menschenhandel“ und „sicherer Herkunftsstaat“ fliegen durch den Raum.


Drei Tage haben sich die 25 Studentinnen und Studenten Zeit genommen, um einander besser kennenzulernen und sich wieder auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören. Sie checkten gemeinsam in Rohrdorf bei Rosenheim in das Tagungshotel zur Post ein. Dass es darum ging, ein Team zu bilden, wurde gleich am Freitag nach dem Abendessen klar. Da hieß es erst mal: Schuhe ausziehen und sich vertrauensvoll vom Tisch fallen lassen. Das kleine Kennenlern-Spiel trug so nicht nur zum gegenseitigen Vertrauen, sondern auch zur allgemeinen Erheiterung bei. Nacheinander kletterten die Teilnehmer auf einen Tisch und stellen sich vor. Dann hieß es mutig sein: Rückwärts musste sich jeder Einzelne in die Hände der Mitstreiter fallen lassen. Niemand wurde fallengelassen und alle waren erleichtert, als das geschafft war.


Von der Theorie zur Praxis

Danach ging es richtig los: Bastian Winter, Marie Beyrich und Sophie Schmidt aus dem Leitungsrat stellten das vergangene Jahr in Zahlen und Fakten vor. Was war, was soll sein, wohin wollen wir? 83 Fälle wurden bereits bearbeitet, 80 sind noch in Bearbeitung. Die Mitgliederzahl des Legal Leverage Platform e.V. – dem Trägerverein der RLC Regensburg – ist mittlerweile auf 142 gestiegen.


„Eine beachtliche Zahl“, macht nicht nur Dr. Christoph Lindner deutlich, der als Fachanwalt das Wochenende betreut. Wie dokumentieren wir, welche Erfahrungen haben wir in der Beratung gemacht? Auch die vielen neuen Mitglieder in der Runde bekamen ihre Fragen beantwortet.


Samstag ging es dann nach einem gemeinsamen Frühstück weiter: Larissa Borkowski erklärte, wie eine Fallbearbeitung in der Refugee Law Clinic optimalerweise abläuft. Quintessenz des Vortrags: Es gibt keine dummen Fragen und in der Refugee Law Clinic Regensburg ist man nie allein. Die Betreuer, der Leitungsrat und das Lehrstuhlteam stehen immer zur Seite, wenn es nicht weitergeht. Das war vor allem für die neuen Mitglieder eine sichtbare Erleichterung.


Dann wurde es konkret: Dr. Christoph Lindner verteilte die Materialien des realen Falles und alle stürzten sich darauf, eine möglichst überzeugende Klageschrift zu verfassen. „Vergangenen Donnerstag wurde dieser Fall noch vor Gericht verhandelt“, ließ Dr. Lindner die Studenten wissen. „Wie es ausgegangen ist, lasse ich euch dann hinterher wissen.“ Die Fluchtgeschichte des jungen Mannes ließ keinen der Anwesenden kalt, vor allem da vielen klar war, dass ein Senegalese statistisch nicht die besten Chancen im Asylverfahren hat. Die Beschreibungen der Lebensumstände im Senegal kamen plötzlich ganz real im kleinen Tagungsraum in Oberbayern an.


Nach dem Mittagessen dann die Deadline: 14:15 Uhr. Alle drei Klageschriften wurden mit einem kleinen Gnadenzusatz „fristgerecht“ eingereicht. Nacheinander beurteilten alle im Plenum die Ansätze der anderen Teams. Manch einer war umfangreicher, ein anderer innovativer. „Ich habe nicht das Gefühl, dass das erfolgreich sein könnte“, meinte ein Student selbstkritisch mit Blick auf seinen Entwurf. „Also eines ist klar: Ihr alle habt euch mit dem Fall schon eindringlicher beschäftigt als die Verwaltungsrichter letzten Donnerstag“, stellte der Anwalt klar.


Dann wurden bunte Karten im Raum verteilt, mit denen ein Stimmungsbild eingefangen werden soll. „Was glaubt ihr, wie ist es ausgegangen?“, fragt Dr. Lindner. Die meisten zeigen die gelbe Karte – und glauben damit an subsidiären Schutz. Also ein positiver Ausgang für den Senegalesen, der als Kind als Sklave verkauft wurde? Nein. Die „Senegal-Problematik“ zeigt sich wieder deutlich. „Leider liegt ihr alle falsch, die Klage wurde vollständig abgewiesen“, klärt Dr. Lindner auf. Ein Raunen geht durch den Raum. Damit hat niemand gerechnet – vor allem wenn man jetzt die grausame Verfolgungsgeschichte des jungen Mannes kennt.


Vom Gesetzestext an die frische Luft

Da kam eine kleine Einheit an der frischen Luft ganz recht: Gemeinsam machten sich alle Teilnehmer am späten Nachmittag auf und wanderten eine kurze Tour im Kitzstein-Gebiet zur Deindlalm hinauf. Oben wurden dann alle mit einem grandiosen Ausblick über das hell erleuchtete Tal und einer Brotzeit belohnt. In der Dunkelheit ging es dann abenteuerlich mit Fackeln und Taschenlampen den Berg wieder hinab. Da aber nicht jeder eine Lichtquelle hatte, war Zusammenarbeit unbedingt nötig. Spätestens dann war klar: Jetzt sind wir ein Team!


Am Abend lieferte dann Hans Fleischmann, einer der Lehrstuhlmitarbeiter einen kleinen Blick in die Ferne. Er hatte mit einer Freiwilligen-Organisation mehrere Wochen in Griechenland verbracht und dort in dem mehr oder weniger provisorischen Flüchtlingscamp Filipiada gearbeitet. Um sich die Situation besser vorstellen zu können, hatte er ein paar Fotos und Videos mitgebracht, die die prekäre Situation der Menschen in diesen Camps vor Augen führten. Im Anschluss erklärten Dr. Christian Helmrich und Prof. Alexander Graser noch den Ansatz der RLC Regensburg sogenannte „Strategic Litigation“ (dt. „strategische Prozessführung) betreiben zu wollen. Die gewonnenen Eindrücke diskutierte man dann noch bis spät in die Nacht.


Der Sonntag begann mit einem kleinen Exkurs: Zum Abschluss des Wochenendes überschrieb Dr. Lindner seinen letzten Vortrag mit „Studium, Examen, Privatleben und Weltretten – Survival Tipps für Law Clinic Beraterinnen und Berater“. Locker bleiben und das Studium auch abseits vom Notendruck als eine der schönsten Lebensphasen sehen – das zu betonen war ihm ein Anliegen.


Bei der anschließenden Feedbackrunde formulierten alle gemeinsam ein paar Ziele und Methoden, die die Refugee Law Clinic in Zukunft voranbringen sollen.


Die Refugee Law Clinic gibt nicht auf

Übrigens: Im Fall des jungen Senegalesen, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Dr. Lindner kündigte an, in Berufung zu gehen. Dabei werden ihm auch die Studentinnen und Studenten der Refugee Law Clinic zur Seite stehen. Es steht Recherchearbeit an.

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