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„Let’s make it home“

Text von Stefan Morling

Im April trafen sich engagierte Aktivisten aus Europa zu einer Konferenz im ukrainischen Sumy, um die Situation in verschiedenen Ländern auszutauschen und zu gemeinsamen Lösungen zu finden. Stefan Morling nahm für die Refugee Law Clinic Regensburg an der Veranstaltung teil. Hier schildert er seine Erlebnisse:


Am 13. April 2016 flog ich von München in die ukrainische Hauptstadt Kiew, um am Seminar „Let’s make it home“ zur Integration von Flüchtlingen und Binnenflüchtlingen teilzunehmen. Zur Konferenz waren je 3 Vertreter aus 12 europäischen Ländern eingeladen. Ich habe als Jurastudent im 8. Semester mit Schwerpunkt im Europäischen und Internationalen Recht die Refugee Law Clinic Regensburg vertreten. Von den 34 Teilnehmern waren 3 weitere aus dem juristischen Bereich (aus Polen, Schottland und Italien). Mit 24 Jahren war ich einer der jüngsten Teilnehmer. Ich würde das Durchschnittsalter auf 30 Jahre schätzen und die Teilnehmer waren großteils gestandene Arbeitskräfte oder Jungunternehmer, eher selten Studenten. Die Qualität der Besetzung des Seminars war großartig. Allein die Trainer aus der Ukraine, Polen und der Türkei waren über drei Jahre lang vom Europarat im Projekt „Youth Peace Ambassadors“.


Angekommen in Kiew konnte ich noch am Abend einige Fotos am Maidan machen, die ersten Seminarteilnehmer aus Armenien und Polen kennenlernen und von Einheimischen bei einem Stadtrundgang etwas zu Geschichte, Religion und Kultur der Ukraine erfahren. Am nächsten Tag stand die fünfstündige Fahrt per Bus in die 300km östlich gelegene Stadt Sumy an. Die ersten 100 km der Autobahn sind wirklich mit der Qualität deutscher Straßen vergleichbar. Der Rest war jedoch so holprig und anstrengend, dass 80% der Teilnehmer für den Rückweg den Zug nahmen.


Schon am Abend waren die meisten in Sumy angekommen und es folgten 10 unvergessliche Tage voller Diskussionen, Information, Austausch, Zusammenarbeit und Freundschaft. Der nächste Tag begann mit einer Phase des Kennenlernens, was von außen wohl eher nach Spaß ausgesehen hätte, für uns aber eine unglaublich offene Atmosphäre schuf und ein „Wir“-Gefühl erzeugte. Unser tägliches Programm begann offiziell um 10 Uhr morgens und endete um 21 Uhr, wir waren jedoch kaum einmal vor Mitternacht mit den sich ergebenden Diskussionen am Ende.


Unsere Aktivitäten hatten dabei zwei Ansätze: Über Fragen nachzudenken, die sich im Aufnahmeland niemand stellt und auf der anderen Seite unsere vielen unterschiedlichen Erfahrungen auszutauschen, um gemeinsame Lösungen für internationale Probleme zu finden. Für den ersten Punkt wurden wir in die Rolle einer Flüchtlingsfamilie gesteckt und sollten in ein fremdes Land gelangen. Das klingt zunächst machbar, aber… wie halte ich meine Familie zusammen, wenn jeder nach seinen Liebsten ruft? Wie fülle ich ein Formular in einer fremden Sprache aus, wenn ich Analphabet bin? Wie nehme ich meine (Menschen-)Rechte wahr, wenn sich die lokale Bevölkerung von mir abwendet? Bei diesen Szenarien kam unseren Trainern die lange Ausbildung zu Gute. Alles war realistisch. Ein marrokanischstämmiger Schwede erzählte von seinen ersten Jahren im fremden Land, eine Türkin fühlte sich an die Gezi-Park-Proteste erinnert und ein Georgier war unfreiwillig an den Krieg von 2008 erinnert worden.


Es waren diese Nähe zur Geschichte, unsere Erlebnisse und Erfahrungen, die dieses Seminar so hilfreich machten. Wir hatten Zeit, die Situation in unserem Land darzustellen sowie die Arbeit unserer Organisation. Für die Refugee Law Clinic Regensburg sprach ich über unser Konzept der „Strategic Litigation“ – der strategischen Prozessführung. Andere Teammitglieder sprachen zum Beispiel über Willkommensinitiativen in Glasgow („Refuweegee“) und die Arbeit mit abgelehnten Asylbewerbern in Schweden. Dieses Konzept „Rückkehr mit Würde“ fand ich faszinierend – ebenso wie ein Teilnehmer aus Polen, in dessen Land nicht einmal anerkannte Asylbewerber ausreichend versorgt würden. Auf der anderen Seite haben wir so über die große Anzahl von Freiwilligen in Polen erfahren, denen es primär an Aufgaben fehlt. „Ihr habt die Flüchtlinge, wir haben die Freiwilligen“, sagte ein polnischer Vertreter. Dort werden sich Möglichkeiten für Kooperationen ergeben. Auch die Schikane gegen Binnenflüchtlinge in der Ukraine, die verheerende Situation in der spanischen Exklave Melilla und die dramatische Situation in der Türkei wurde uns erklärt. Daraus ergibt sich nun ein wesentlich vollständigeres Bild der Gesamtsituation.


Im Verlauf der Tage kristallisierte sich heraus, dass diese Zusammenkunft auch in die Zukunft hinein Wirkung entfalten muss und so arbeiteten wir bereits in Sumy an weiterführenden Projekten. Schon im Sommer werden wir uns etwa in Griechenland wiedersehen.


Der Blick geht nach vorn!

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