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KinoAsyl zu Gast in Regensburg

Text von Anna Baumer


Unter dem Motto „Kunst kann Grenzen überwinden“ stand der Abend des 19. Mai 2016 im Andreasstadel in Regensburg. Die RLC Regensburg hatte zusammen mit der örtlichen Amnesty International Gruppe zum 1. KinoAsyl in Regensburg geladen.


KinoAsyl kommt ursprünglich aus München. Nachdem es dort im vergangenen Jahr zum ersten Mal veranstaltet wurde und gleich großen Anklang fand, zeigten vergangenen Mittwoch Ameen Nasir aus Syrien und Ansumane Famah aus Sierra Leone jeweils einen Film aus ihrer Heimat in den Kinos des Andreasstadels in Regensburg.

Dass die beiden jungen Künstler nach Regensburg kamen, machte die Kooperation der Asylgruppe von Amnesty International Regensburg mit der RLC Regensburg möglich, unterstützt durch das Münchener JFF – Institut für Medienpädagogik.


Die Veranstaltung war gut besucht, Stefanie Seebauer von Amnesty International Regensburg und Bastian Winter von der RLC Regensburg begrüßten die 77 Gäste in einem vollen Kinosaal. Sie erklärten kurz das Engagement ihrer Vereine im Rahmen der Flüchtlingshilfe, um dann auch schon beide Künstler ihrem Publikum vorzustellen.


„Raqqah, Ba’athism to the Caliphate“ (Syrien, 2015)


Den Anfang machte Ameen Nasir aus Syrien. Er zeigte den Film „Raqqah, Ba’athism to the Caliphate“ von Taher Moqresh und Mhanad Mansour. Dieser Dokumentarfilm erzählt die Geschichte der syrischen Stadt Rakka, am Ufer des Euphrat (siehe Karte oben). Der Film dokumentiert in mehreren Interviews und vielen Videoausschnitten den Weg der Stadt und ihrer Bewohner von Diktatur, hin zu Revolution, Befreiung und schließlich Belagerung durch den sogenannten Islamischen Staat.


Die Interviews mit den Bewohnern der Stadt, die die Bilder aus der Zeit der Kämpfe begleiten, wurden nach der Flucht aus Rakka in der Türkei aufgenommen. Der Film will eine Antwort darauf finden, wie es nach dem Sieg über das Regime dazu kommen konnte, die Stadt wieder zu verlieren.


Die Diktatur

In den syrischen Medien, vor Beginn des Arabischen Frühlings, sei Rakka oft als eine ländliche Stadt mit niedrigem Bildungsniveau gezeigt, berichtet ein Mann im Interview. Doch dem möchte er in diesem Film widersprechen: Rakka habe eine lange Tradition von Gelehrten, Wissen und Können.


Als aber die Partei der Baath durch einen Staatsstreich im Jahr 1963 an die Macht kam, begann der Kampf um Entwicklung in den breiten Bevölkerungsschichten. Denn Öl und Gas waren zwar vorhanden, doch infolge von Vetternwirtschaft folgte daraus nicht der Reichtum aller. Hinzu kam, dass die Wirtschaft, Wissenschaft und lokale Bevölkerung nicht gefördert wurden, bis sich im März 2011 eine Provinz nach der anderen gegen die Baath-Partei und das ihr entstammende Assad-Regime erhob.


Die Revolution

Während damals viele Menschen in Syrien fragten, wieso es in Rakka vergleichsweise ruhig geblieben war, zeigt die Dokumentation das Gegenteil: wie stark die Bevölkerung Rakkas Widerstand leistete. Man sieht Bilder von Menschenmengen, die Sprechchöre gegen Assad anstimmen. Man hört wie ein Jahr später mit scharfer Munition auf Demonstranten geschossen wird. Der Film erklärt, wie das Begräbnis eines Jungen, der infolge dieser Schüsse starb, zu einer politischen Demonstration wurde, an der auch Frauen und Kinder teilnahmen. Erst nachdem die Revolution immer aggressiver niedergekämpft wurde, gingen die Proteste langsam zurück, berichten die Augenzeugen dem Zuschauer.

Es ist den Menschen, die im Film sprechen, wichtig, allen anderen zu sagen: Rakka hat niemals jemanden im Stich gelassen.


Die Befreiung

Nach fast einem Jahr andauernder Kämpfe, zeigen die Bilder, wie die Statue von Assads Vater gestürzt wird. Die Menschen in Rakka tanzen, singen und stimmen Lobpreisungen an. Für sie wurde ihre Stadt, Rakka, für 4 Monate die Hauptstadt der Befreiung.

In dieser Zeit, so wird durch die Bilder deutlich, möchten sie ein Leben in der Gemeinschaft wiederherstellen. Sie bildeten Bürgergesellschaften und einen Gemeinderat. Ein Mann erzählt, dass Menschen aus anderen Regierungsbezirken ihre Stadt besuchen kamen, um zu lernen. Denn Rakka hatte fließendes Wasser und Strom. In der Stadt, berichtet eine Frau stolz, konnte man über Politik sprechen, friedlich protestieren und jeder seine Gedanken frei äußern.


Das Kalifat

Dies ging so lange gut, bis die Proteste – vor allem die der Jugend – begannen, sich gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) zu richten, mit dem einige Aktivisten und Revolutionäre zur Befreiung Rakkas zusammengearbeitet hatten. Der IS hatte nach der Befreiung damit begonnen Bürgeraktivisten zu unterdrücken und Gemeinderatsmitglieder und Jugendliche ohne Grund festzunehmen. Als die Mitglieder des IS das Potential erkannten, mit ihrem Handeln die Bevölkerung einzuschüchtern, gingen sie immer weiter, erzählt eine Frau. Zeitgleich expandierten sie: Mitglieder aus aller Welt kamen nach Syrien, um den IS zu unterstützen. Anfang 2014 rief der IS Rakka als Hauptstadt seines Kalifats aus – und wieder wehrte sich die Stadt. Doch nach 13 oder 14 Tagen Kampf wurden die Bürger der Stadt vor die Wahl gestellt: Treue zum IS oder Hinrichtung. So waren viele gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.


Rakka heute

Die Stadt ist bis heute vom IS besetzt. Andere Religionen als der sunnitische Islam werden nicht geduldet. Christliche Kirchen und schiitische Moscheen wurden zerstört. Rauchen, Alkohol und weltliche Musik sind verboten. Trotzdem kämpfen die Menschen in Rakka und ganz Syrien weiter und träumen davon, eines Tages die erwünschte Freiheit zu erlangen. Ihr Kampf wird weitergehen bis Syrien vom Extremismus befreit ist.


Der zweite Film, den Ansumane Famah vorstellte, war der Kurzfilm „Deweneti“ von Dyana Gaye. Der Titel bedeutet übersetzt „Grüße zum Fest“. Er mache auf eine afrikanische Sitte aufmerksam, die auch im Senegal weit verbreitet sei, so Famah.


Der Kurzfilm handelt von dem jungen Ousmane a Talibé, einem Koranschüler, der täglich von seinem Lehrer in die Straßen von Dakar geschickt wird, damit er um Almosen bittet. Statt nur um Geld zu bitten, bietet er den Tausch gegen ein Gebet oder einen Wunsch an.


In der Stadt Dakar, der Hauptstadt Senegals, lebt der kleine Ousmane. Er ist ein aufgeweckter kleiner Junge, der sich auch nicht scheut, einen Polizisten während seiner Arbeit anzubetteln. Doch die Menschen, denen er begegnet und die er um Geld bittet, geben ihm erst Almosen, als Ousmane beginnt ihnen zu versprechen, als Gegenleistung für sie und ihre Wünsche zu Gott zu beten.

Ein Autofahrer raunzt Ousmane an, ob er ihn für Santa Claus halte, er habe kein Geld für ihn. Von diesem Moment an lässt der Gedanke an den Weihnachtsmann den Jungen nicht mehr los. Er fasst sich als Ziel, die Wünsche der Menschen an Santa Claus weiter zu geben, koste es was es wolle. Doch zuerst muss er einen Schreiber finden, da er selbst nicht lesen und schreiben kann.


Natürlich hält Ousmane seine Versprechen und diktiert jeden Wunsch, den er versprochen hat. Selbst für seinen Koranlehrer, der Ousmane zum Betteln schickt, damit er mit dem von Ousmane und den anderen Kindern erbettelten Geld nach Mekka reisen kann. Auch der Schreiber selbst wird im Brief von Ousmane mit einer neuen Schreibmaschine bedacht.


Als der Wunschzettel fertig ist, bedankt sich der Schreiber und fragt, ob Ousmane nicht selbst einen Wunsch an Santa Claus habe. Da meint Ousmane nur „Sicherlich“ und geht davon.


Auch wenn der Film offen lässt, ob Ousmanes Wünsche in Erfüllung gehen, schickt der Himmel zumindest ein Zeichen: Ousmane lächelt – denn in den Straßen Dakars beginnt es zu schneien.


Diskussion

An die Filme schloss sich eine intensiv genutzte Diskussionsrunde an. Die beiden Kuratoren standen Fragen nach der Situation in ihren Heimatländern und ihren persönlichen Eindrücken Rede und Antwort.

Ameen Nasir machte dabei deutlich: „Gerne würde ich nach dem Ende der Kämpfe in meine Heimat zurückkehren. Aber der Kampf um Rakka, generell der Konflikt in Syrien, wird nicht ohne Hilfe des Auslands gelöst werden können.“ Auf Nachfrage, welche Hilfe er denn aus dem Ausland erwarte, antwortete er: „Zuerst muss militärisch geholfen werden. Aber um eine Lösung zu finden, wird Syrien auch humanitäre und diplomatische Hilfe brauchen.“


Auf die im Anschluss an Ansumane gestellte Frage, ob die Armut der Grund sei, warum so viele Menschen Afrika verlassen, erklärte er, dass „Almosen“ nicht die Lösung der Probleme in Afrika sein können: „Jede Hilfe, die erst an die Regierung geht, kommt nie bei den Menschen an.“

„Man kann zwar in Sierra Leone und in ganz Afrika nicht nur eine einzelne Ursache für die Flucht des Menschen benennen. Aber ein Hauptproblem sind die korrupten Regierungen und ihre Mitglieder. Sie teilen die Gelder unter sich auf.“ Und so sei es besser, direkte Hilfe nach Afrika zu schicken und die Ausbildung der Menschen dort zu fördern. Es sei hilfreicher, nach Afrika zu reisen und dort den Aufbau der Infrastruktur zu unterstützen. Ansumane ist sich sicher: „Wir können viel voneinander lernen und auf diese Art helfen, die Lage in Afrika zu verbessern.“


Für das hohe Interesse des Publikums an der Diskussion und den großen Andrang im Kinosaal bedankten sich Steffi Seebauer und Bastian Winter. Sie sind sich einig: In Regensburg soll nächstes Jahr wieder ein KinoAsyl veranstaltet werden.


Wer nun Lust bekommen hat, mehr über das Projekt KinoAsyl zu erfahren und vielleicht auch noch in diesem Jahr das Festival in München besuchen möchte, findet Infos dazu unter: www.kinoasyl.de

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