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2. Ostbayerischer Asylgipfel

2. Ostbayerischer Asylgipfel – Podiumsdiskussion zum Thema Familiennachzug


Wie bereits auf Facebook angekündigt, ist in diesem Beitrag ein kurzer Bericht zur Podiumsdiskussion im Rahmen des 2. Ostbayerischen Asylgipfels abgebildet. Wir wünschen viel Freude beim Lesen!


Einleitung von Demian Wyrwich, Bericht von Elisabeth Rauh


Am 12.05.2018 fand im Kolpinghaus in Regensburg der Zweite Ostbayerische Asylgipfel statt, der in diesem Jahr von der Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“ e.V. Regensburg und dem Netzwerk „Willkommen in Vilsbiburg“ organisiert wurde und unter dem Motto „Flüchtlingskrise? Realität oder Fakenews?“ stand. Die Refugee Law Clinic Regensburg veranstaltete im Rahmen des Gipfels eine Podiumsdiskussion zum Thema Familiennachzug. Finanziell gefördert wurde die Diskussion über den Dachverband der Refugee Law Clinics Deutschland durch Bundesmittel der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung.


Als Diskutierende hatte die RLCR den Richter am Verwaltungsgericht München und ehemaligen Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht Dr. Benedikt Grünewald, Dr. Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat, sowie zwei Mitglieder des bayerischen Landtags eingeladen, Margit Wild, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, und Jürgen Mistol, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzender der Grünen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Christian Helmrich.

Auf Nachfrage von Dr. Helmrich gab Dr. Grünewald zu Beginn einen Überblick über die gesetzliche Regelung des Familiennachzugs. Er erläuterte zunächst dessen Ableitung aus dem Schutz des familiären Zusammenlebens in Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Aus Art. 6 GG direkt ergebe sich jedoch kein unbedingter Anspruch auf Familiennachzug, vielmehr seien die Vorschriften im Sekundärrecht zum Familiennachzug Ermessensvorschriften. Es gebe zudem bestimmte Voraussetzungen, wie ausreichender Wohnraum, Sicherung des Lebensunterhalts und Sprachkenntnisse. In diesen Punkten existierten allerdings auch Privilegierungen für bestimmte Gruppen. Häufigste Fälle des Familiennachzugs seien der Ehegattennachzug und der Kindernachzug, wobei hier zwischen dem Nachzug minderjähriger und volljähriger Kinder zu unterscheiden sei, da sich die Voraussetzungen unterschieden. Dr. Grünewald sprach auch über die aktuellen Veränderungen bezüglich der Regelung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. Nachdem das für diese eingeführte Recht auf Familiennachzug bis Juli ausgesetzt sein wird, soll anschließend eine neue Regelung in Kraft treten, die eine Kontingentierung von 1000 Nachzügen pro Monat vorsieht. Dr. Grünewald äußerte an dieser Stelle bereits erste Kritik an der praktischen Umsetzbarkeit dieser Regelung.


Frau Wild schloss sich dem zustimmend an: Für die SPD sei die Begrenzung des Familiennachzugs ein großes Eingeständnis gewesen und es gebe in diesem Bereich viele ungelöste Fragen. Sie persönlich unterstütze die neue Regelung nicht. Zum einen sei ihr die große Bedeutung von Familie bewusst und sie finde es insbesondere bei jungen Menschen problematisch, wenn ihnen der familiäre Rückhalt fehle. Zum anderen halte sie eine Kontingentierung für eine unflexible und unmenschliche Regelung. Es würden sich auch zahlreiche Fragen anschließen, beispielsweise ob die Auswahl der 1000 bewilligten Anträge durch eine Härtefallregelung entschieden würde und wie die Koordination der Entscheidungen aussehen würde.


Auf Nachfrage, wie er die die Auswirkung des Familiennachzugs auf die Integration einschätze,


erläuterte Herr Mistol, Familiennachzug sei für ihn der Schlüssel zur Integration. Kritik unter Hinweis auf eine Hemmung der Integration durch die mögliche Bildung von Parallelgesellschaften teile er nicht. Er kritisierte, im Bereich des Familiennachzugs gebe es unklare Zuständigkeiten und zu viele bürokratische Hürden. Frau Wild stimmte dem zu und bekräftigte, dass einige Voraussetzungen, wie das Wohnraumerfordernis, oft den Nachzug erschwerten.


Daraufhin wies Dr. Grünewald zunächst auf mögliche Privilegierungen beim Wohnraumerfordernis, aber auch auf praktische Probleme bei der Unterbringung hin. Er gab zu bedenken, dass dies ein mögliches Argument für eine Kontingentierung sein könnte. Nur bei einer begrenzten Anzahl an Nachzügen könne man auch eine angemessene Unterbringung gewährleisten, solange nicht deutlich mehr Wohnraum geschaffen würde.

Die nächste Frage drehte sich darum, warum Familiennachzug derart problematisiert und kontrovers diskutiert wird, auch wenn die geschätzten Zahlen der Nachkommendem nicht so hoch sind, wie häufig dargestellt. Dr. Dünnwald kritisierte, der Grund dafür liege darin, dass in der aktuellen Debatte verschiedene Familienbilder transportiert würden. Es gelten für Flüchtlingsfamilien andere Standards als für einheimische Familien. Der Familiennachzug würde seit jeher durch bürokratische Maßnahmen bewusst verhindert, die neue Regelung zur Kontingentierung sei nur die Steigerung dessen. Es gelte allgemein der Grundsatz: Begrenzung statt Schutz. Durch bürokratische Hürden würden den Geflüchteten Rechte vorenthalten. Probleme wären unter anderem lange Wartezeiten für Termine bei den Botschaften, Unterlagenbeschaffung, sowie finanzielle Probleme aufgrund von Gebühren und Reisekosten für den Weg zur Botschaft. Er kritisierte den Personalmangel im Auswärtigen Amt und den Botschaften, der für die langen Wartezeiten verantwortlich sei.


Nach diesem ersten Teil wurde die Diskussion für das Publikum geöffnet. Die Aussagen der Fragesteller reichten über konkrete Nachfragen zu eigenen erfahrenen Fällen aus der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe über grundlegende Kritik wie eine mangelnde Vereinbarkeit der aktuellen Verwaltungspraxis mit der Menschenwürde in Art. 1 GG.


Themen waren unter anderem lange Verfahrensdauern bei den Botschaften und den Gerichten, die durch Personalmangel verursacht würden. Auf der anderen Seite wurde die zu beobachtende Verlagerung von Entscheidungen vom BAMF zur Justiz thematisiert, die laut Frau Wild wiederum auf die sehr schnelle Personalaufstockung und daraus resultierende falsche Entscheidungen aufgrund mangelnder Qualifikation zurückzuführen sei. Zudem kritisierte Herr Mistol eine Verlagerung von Macht vom Gesetzgeber auf die Gerichte durch unklare gesetzliche Regelungen.


Angesichts einer geäußerten Forderung nach Schaffung neuer Richterstellen, gab Dr. Grünewald zu bedenken, dass man sich hier oft in einem Dilemma befinde: Einerseits hätte sich beispielsweise die Anzahl der Verfahren am VG München verzehnfacht, während das Personal nur um ein Drittel ausgebaut wurde. Andererseits würden Richter auf Lebenszeit ernannt und eine Reduzierung der Stellen bei einem Rückgang der Verfahren gestalte sich deshalb schwierig.


Zum Ende hin wurden neben den Problemen des Familiennachzugs auch Fragen des Zugangs zur Arbeitserlaubnis und die geplanten AnKER-Zentren diskutiert. Kritik an Politikern der CSU kam von Frau Wild, diese würden um den Preis der Gewinnung von Stimmen am rechten Rand wichtige Werte aufgeben. Sie kritisierte die Verhältnisse in den bayerischen Transitzentren, die im Hinblick auf eine Planung bundesweiter AnKER-Zentren besonders problematisch seien. Kritik an den geplanten AnKER-Zentren kam auch von Herrn Mistol, die Regierung schaffe damit selbst Probleme, wie ein zu erwartendes gesteigertes Gewaltpotential. Er äußerte, er wünsche sich eine Veränderung der Debatte weg von Abschottung und Abschiebung hinzu einem humanitären Ansatz. Auf Nachfrage, wie sie angesichts der Tatsache, dass die SPD Teil der großen Koalition sei, zu ihrer Kritik an AnKER-Zentren und der Kontingentierung von Familiennachzug stehe, antwortete Frau Wild, die SPD sei in diesen Fragen gespalten. Sie sehe ihre Aufgabe – wenn es zu einer Einrichtung von AnKER-Zentren kommen würde – darin, sich für die Einhaltung gewisser Standards, was zum Beispiel den Zugang zu Beratung angehe, einzusetzen.


Wir als RLCR möchten uns bei den Diskutierenden für den interessanten Gedankenaustausch bedanken. Mit vielen der angesprochenen Probleme werden wir selbst immer wieder bei der Beratungstätigkeit konfrontiert. Wir sind gespannt auf die weiteren politischen Entwicklungen.

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